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Wenn Arbeit Liebe ersetzt

Doppelkarriere-Paare zwischen Anerkennung und Ungleichheit

Erschienen am 10.09.2012, 1. Auflage 2012
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593397825
Sprache: Deutsch
Umfang: 409 S., 2 Fotos, 5 Tab.
Format (T/L/B): 2.5 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Frauen wollen sich heute ebenso im Beruf verwirklichen wie Männer und streben nach Karriere und beruflicher Anerkennung. Daraus können neue Konflikte innerhalb der Paarbeziehungen entstehen. Vor allem ist unklar geworden, wofür sich die Partner gegenseitig anerkennen, welche sozialen Ungleichheiten sich zeigen und in welchem Verhältnis Liebe und Leistung stehen. Aufbauend auf Axel Honneths Anerkennungstheorie zeichnet Christine Wimbauer die aktuellen Veränderungen von Paarbeziehungen, Erwerbsarbeit und der sozialstaatlichen Anerkennungsordnung nach. Sie macht dabei deutlich, dass nicht nur die Selbstverwirklichungsversprechen der gegenwärtigen Arbeitswelt zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt sind. In letzter Konsequenz kann das berufliche Leistungsstreben auch die Liebe zwischen den Partnern (z)ersetzen.

Autorenportrait

Christine Wimbauer ist Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Soziale Ungleichheit und Geschlecht am Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen. Von 2008 bis 2010 war sie Nachwuchsgruppenleiterin am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Bei Campus erschien 2003 ihr Buch 'Geld und Liebe. Zur symbolischen Bedeutung von Geld in Paarbeziehungen'.

Leseprobe

1. Warum Anerkennung? Anerkennung ist ein zentraler Begriff des vorliegenden Buches. Nach dem hier vertretenen Menschenbild der sozialen conditio humana sind die Einzelnen wesentlich auf intersubjektive Anerkennung angewiesen, da gerade der praktische Bezug auf andere Subjekte und deren positive Bestätigung des eigenen So-Seins zentral sind für die Konstitution von Identität und Subjektivität. Wird bei Adam Smith das Streben nach Anerkennung als eines der zwei menschlichen Grundbedürfnisse bestimmt, so kommt in G.W.F. Hegels (1986) Frühwerk dem "Kampf um Anerkennung" entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des praktischen Seins und des sittlichen Gemeinwesens zu. George Herbert Mead (1973) stellt aus sozialpsychologischer Perspektive die Bedeutung intersubjektiver Anerkennung durch andere für die Identitätsbildung heraus. Er fasst symbolisch vermittelte Interaktionen als grundlegende gesellschaftliche Prozesse. Schließlich lieferte Axel Honneth (1992, 2003a,b) die jüngste systematische Theorie der Anerkennung. Unter Rückgriff auf Meads intersubjektivistisches Identitätskonzept und auf Hegels "Kampf um Anerkennung" setzt Honneth sich zum Ziel, eine normativ gehaltvolle Gesellschaftstheorie zu entwickeln. Wenn sich die "Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens [.] unter dem Imperativ einer reziproken Anerkennung" (Honneth 1992: 148) vollzieht, dann sind "menschliche Subjekte in ihrer Identitätsbildung konstitutiv auf die normative Zustimmung anderer angewiesen [.], weil sie sich ihrer praktischen Ansprüche und Zielsetzungen nur anhand der positiven Reaktion eines Gegenübers vergewissern können" (Honneth 1994: 17-18). Nach Honneths starkem Intersubjektivitätsparadigma sind die Einzelnen also zwingend auf die Anerkennung anderer angewiesen. Honneth (1992) sieht die gesamte Gesellschaft als ein System aus gestaffelten Anerkennungsverhältnissen sowie als "institutionalisierte Anerkennungsordnung" und fasst die gesellschaftliche Entwicklung als Stufenfolge von sozialen Kämpfen um Anerkennung, die durch jeweilige Missachtungserfahrungen der Subjekte ausgelöst werden. Die Erwartung sozialer Anerkennung sei der Form nach anthropologisch festgelegt, die Inhalte der Anerkennung seien jedoch historisch variabel: Sie werden stets durch die normativen Prinzipien geformt, die in einer Gesellschaft die elementaren Strukturen wechselseitiger Anerkennung festlegen (Honneth 2003a: 162-163). Honneth (1992) unterscheidet drei Formen intersubjektiver Anerkennung: Liebe, Recht und soziale Wertschätzung bzw. Leistung (Honneth 2003a) innerhalb der industriell organisierten Arbeitsteilung. Bei Liebe besteht die idealtypische Anerkennungsweise in der affektiven Bestätigung und emotionalen Zuwendung zu einem konkreten Anderen und dessen besonderer Bedürfnisnatur; die grundlegende Logik ist hier die reziproke Anerkennung des anderen als einzigartiges Subjekt in seinem spezifischen So-Sein. Die idealtypische Anerkennungssphäre ist die Familie bzw. Paar- und soziale Nahbeziehungen. Das Recht folgt einem universalistischen Prinzip, nämlich der generalisierten Achtung aller als autonome und moralisch zurechenbare Rechtspersonen. Rechtsbeziehungen sind die dem Recht zugehörige, idealtypische Anerkennungssphäre. Soziale Wertschätzung dagegen zeichnet sich durch den positiven Bezug auf besondere Eigenschaften und Fähigkeiten der Individuen aus. Welche Inhalte gesellschaftlich geachtet sind, ist nach Honneth historisch variabel; gegenwärtig werde soziale Wertschätzung vor allem für individuelle Leistung im System der industriell organisierten Arbeitsteilung und der Erwerbsarbeit gewährt. Anders als bei der Liebe geht es hier nicht um Anerkennung als autonome und besondere Person, sondern um Anerkennung für spezifische Eigenschaften und Fähigkeiten, insbesondere für Leistung. Erst alle drei Anerkennungsformen zusammen schaffen die sozialen Bedingungen, unter denen "menschliche Subjekte zu einer positiven Einstellung geg

Schlagzeile

Wie viel Arbeit verträgt die Liebe?

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